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AutorenbildDaniel Fügner

Stressfrei umziehen und sich gleich wohlfühlen dank QFD

Wenn man mit Leuten über Umzüge spricht, hört man eine Aussage immer wieder: Es dauere ein halbes Jahr, bis man sich im neuen zu Hause so eingerichtet hat, dass man sich auch wie zu Hause fühlt. Aber muss das wirklich so lange dauern? Wir hatten genau acht Tage wirklich „Umzug“ und haben uns danach direkt wohlgefühlt. Wie uns das gelungen ist? Mit guter Planung!


Mehr oder weniger bewusst haben wir bei dieser Planung auf ein Konzept aus der industriellen Produktentwicklung zurückgegriffen: Quality Function Deployment (QFD). Dies ist ein systematisches Vorgehen, um die bewussten und unbewussten Wünsche des potentiellen Kunden an ein Produkt während der gesamten Entwicklung nicht aus dem Auge zu verlieren und systematisch umzusetzen. Übertragen auf einen Umzug bedeutet dies, dass wir die gesamte Planung um Umsetzung darauf ausrichten, uns im neuen zu Hause wie zu Hause zu fühlen und nichts dem Zufall überlassen. Dieser Beitrag soll unsere effiziente Planung einmal ans Licht bringen.


Anforderungen -> Leistungskriterien -> Konstruktionsparameter -> Prozessparameter


Um den Erläuterungen besser folgen zu können, zuvor einige Rahmenbedingungen: Wir sind von einer 65qm großen Dreizimmerwohnung 20km weiter in ein 150qm großes Reihenhaus mit fünf Wohnzimmern und zwei Nebenzimmern gezogen. Für die Planung des Umzugs waren nur gut zwei Monate Zeit, da ein Hauskauf im Speckgürtel von Frankfurt Anfang 2022 eine sehr spontane Angelegenheit war. Hat man hier einmal Schwäche gezeigt, hat das Haus gleich ein anderer bekommen. Die Küche konnten wir als einziges übernehmen. Unser Umzugs- & Neuanschaffungsbudget war von Anfang an festgelegt und hatte keinerlei Spielraum.




Anforderungen


Soll ein neues Produkt hergestellt werden, sollte immer damit begonnen werden zu evaluieren, was der Kunde denn damit vor hat. Das Wissen um die Anforderungen ist die Basis für den gesamten weiteren Prozess. Wird hier etwas vergessen oder nicht beachtet, kann das fertige Produkt nicht gut für den Kunden sein. Übertragen auf einen Umzug bedeutet das die Frage nach den Anforderungen/Wünschen, die man an sein neues zu Hause stellt.


Glücklicherweise können wir in diesem Fall nicht das Wesentliche vergessen, weil Jahrtausende Hausbauentwicklung diese „must-haves“ schon mitliefert: Ein Ort zur Essenszubereitung oder für die Alltagshygiene sind im typischen deutschen Haus schon standardmäßig vordefiniert und können so auch trotz aller Unachtsamkeit nicht vergessen werden.


Selbstverständlich kann man aber auch die Jahrtausende Hausbauentwicklung bei Seite lassen und komplett von Anfang an beginnen. Wenn man dies wirklich sauber durchzieht und sich einmal bei null beginnend mit seinem Leben auseinandersetzt und darauf aufbauend die Einrichtung plant, kann man sicherlich einige Überraschungen erarbeiten, die für einen selber sinnvoll erscheinen, vom klassischen deutschen Haushalt eher abweichen.


Wir hatten jedoch nicht vor das Rad neu zu erfinden, sondern wollten mit den klassischen Themen nicht brechen und vorhandenes Inventar auch nutzen und einbringen. Was bleibt sind die etwas individuelleren Themen: In unserem Fall seien beispielsweise fünf Schlafmöglichkeiten, zwei Spielbereiche, eine Abstellmöglichkeit für einen Lebensmittelvorrat, oder ein separater Ankleidebereich zu erwähnen. Die Detailtreue sollte dabei nicht auf dieser Ebene aufhören, sondern noch einen Schritt weiter gehen: Für den Ankleidebereich bedeutet dies detaillierter, dass Platz für die Kleidung der Frau/des Mannes/der Schwiegermutter/der Kinder benötigt wird. Ein Spielbereich weist sich durch eine große Spielfläche aus, aber auch durch genügend Stauraum für diverses Kleinspielzeug, aber auch Stellflächen für größere Dinge, wie einen Puppenwagen. Wenn sich die Beschreibung der Anforderungen auf dieser Ebene abspielt, hat man eine gute Basis für das weitere Vorgehen.


Was wir bei den weiteren Planungen stets im Hinterkopf gehalten haben ist, dass unsere Kinder derzeit noch klein sind und irgendwann ins Teenageralter kommen. Veränderungen die damit einhergehen, sollten in den nächsten Jahren nicht zu einer kompletten Umgestaltung des gesamten Haushaltes führen müssen.


Als nächster Schritt wird das Ganze priorisiert: Was sind die wichtigsten Anforderungen? Welche können sich eher unterordnen und auf welche kann man zur Not ganz verzichten? Der Umbau des Badezimmers in ein weiteres Schlafzimmer wäre beispielsweise schwierig, da es sich ohne Klo, Dusche und Waschbecken unschön lebt und auch ein großes Loch in den Budgettopf reist.



Leistungskriterien


Nachdem die Anforderungen klar sind, kann aus ihnen das Leistungsspektrum abgeleitet werden. Bei der Produktentwicklung stellt sich nun die Frage, was das Gerät leisten muss, damit es die Anforderungen möglichst gut abdeckt. Dafür müssen die Leistungskriterien auch erst einmal (beispielsweise mittels Brainstormings) gefunden oder definiert werden, bevor man sie mit den Anforderungen zusammenbringen (korrelieren) kann. Für den Umzug müssen wir die Leistungskriterien nicht finden, denn die Zimmer sind bereits vordefiniert, ohne die Möglichkeit eines Anbaus, Umbaus oder Abrisses. Es ist nun aber notwendig die Zimmer in ihrer Leistung zu beschreiben, so dass unser neues zu Hause unsere (priorisierten) Anforderungen an dieses möglichst gut und umfangreich abdeckt.


Alles was mit Kochen zu tun hat, wurde natürlich der Küche, alles was mit Hygiene und Reinigung zu tun hat, wurde dem Bad zugeschrieben. Hier erfinden wir nach wie vor das Rad nicht neu, sondern nutzen Jahrtausende Hausbauentwicklung für uns, was enorme Zeit spart.


Ansonsten haben wir uns entschieden das mit Abstand größte Zimmer rein als Spielzimmer zu definieren und das kleine benachbarte Zimmer als Kinderschlafzimmer. Wer dann von den Kindern in fünf bis acht Jahren das größte und das kleinste Zimmer im Haus bekommt, können die dann unter sich ausmachen. Wenn der Tag kommt, werden wir alle Messer und spitzen Gegenstände wegräumen… Auf jeden Fall befinden sich beide Zimmer auf der gleichen Etage, so dass ein Umräumen dann relativ einfach möglich ist. Das zweitkleinste Zimmer erfüllt die Schlaffunktion für die Eltern und auch nicht mehr. Die ganze Ankleideanforderung, die es noch in der alten Wohnung erfüllte, wurde dem zweitgrößten Zimmer zugestanden. Dieses beinhaltet gleichzeitig auch die Home-Office-Anforderung. Außerdem haben wir nach langen hin und her entschieden die Wäschewaschanforderung aus dem Bad in einen der kleinen Zusatzräume hinauszudefinieren, der auch sonst alle Putzmaterialien für das Haus (außer für die Küche) beinhaltet: Es gibt nun also einen reinen Wirtschaftsraum für das Haus.


Dies sind einige Beispiele, die erklären sollen, worum es auf der Leistungsebene geht. Es geht noch nicht um die konkrete Ausstattung. Diese kommt jetzt:



Konstruktionsparameter


Nun stellt sich die Frage, wie das Produkt konstruiert sein muss, damit es die (nicht weiter drauf eingegangenen priorisierten) Leistungskriterien möglichst optimal abdeckt. Für den Umzug bedeutet dies, mit welchen Möbeln & anderen Gegenständen die einzelnen Zimmer ausgestattet werden sollen, damit sie genau die Anforderungen leisten, die sie sollen.


Gleichzeitig stellt sich die Frage, was aus dem alten Haushalt übernommen wird, was weggeht und was neu angeschafft werden soll, ohne das Budget zu übersteigen. Um hier die Übersicht nicht zu verlieren, wurde dies sauber in einer Matrix definiert. Ein Teil meiner damaligen Umzugsmatrix steht als Inspiration zum Download bereit. Die Zeilen beinhalten die vorhandenen oder gewünschten Gegenstände, sortiert nach altem Aufenthaltsort. Die Spalten zeigen, wo es hingehen soll. Wenn nur etwas übernommen wird, wird es mit „X“ in der entsprechenden Zelle gekennzeichnet. Wird etwas neu angeschafft, werden die Kosten eingetragen und auch der Lieferant (meist Link in den Onlineshop) mit notiert. Die Summe über alle Zellen zeigt dann direkt, wo man sich mit seinem Budget gerade befindet, ohne dass man die Sachen schon beschafft haben muss. So hat man stets die Übersicht und Änderungen in der Planung sind einfach möglich. Erst wenn die Planung abgeschlossen ist, schreitet man zur Tat.


Bemerkenswert für uns war, dass wir – so neutral wir an die Sachen herangegangen sind – sich am Ende rauskristallisierte, dass wir fast alles zur Ordnung von Ikea nahmen und alles was Richtung „stylisch“ geht (Lampen, Tische, Stühle, …) von anderen Möbelhäusern und Baumärkten.


Kleine Sachen haben wir dann allmählich angeschafft. Große Sachen sollten eigentlich einen Tag vor dem Aufbau vom schwedischen Möbelhaus herangeschafft werden. Leider zeichnete sich die erste Jahreshälfte 2022 durch allgemeine Lieferengpässe in allen Branchen aus und verschonte auch nicht unseren Lieferanten in Frankfurt. Daher haben wir alles frühzeitig liefern lassen. Alles? Nein, nicht alles. Denn ausgerechnet die Schubfächer aller Schränke (was ein kritisches Merkmal für den Aufbau diverser Schränke und das Einräumen darstellte) waren auch online nicht zu bekommen. Hier hatten wir großes Glück, dass diese unerwartet kurz vor dem Umzug doch noch im Markt auftauchten.



Prozessparameter


Wenn das Produkt fertig designt ist, muss es natürlich noch gefertigt werden. Hierfür gibt es bei der Produktentwicklung die Aufgabe einen Prozess so aufzusetzen, dass das Produkt mit seinen Konstruktionsparametern sauber gefertigt werden kann. Gleiches gilt für den Umzug: Nachdem der nun geplant ist und alles beschafft wurde, muss dieser nun ausgeführt werden. Unsere Umzugswoche spielte sich wie folgt ab:



Samstag wurde alles aufgebaut, was neu war. Hier kann man den Wert guter Freunde gar nicht genug betonen. Ich wusste gar nicht, dass ich so viele habe. Fast alle angesprochenen haben zugesagt – kein einziger hat kurzfristig abgesagt. Wenn man seine Freunde einspannt, dann ist es nicht wichtig, dass man an dem Tag am meisten tut, sondern dass man dessen Zeit nicht vergeudet! Tatsächlich habe ich an den Tag wohl am wenigsten aufgebaut (meine Eigenleistung war allein der Mini-Couchtisch), aber ich war zu jeder Zeit für jeden ansprechbar, so dass alle stets effizient arbeiten konnten. Außerdem habe ich den Tag intensiv vorgeplant: Ich habe je nach geschätzter handwerklicher Begabung alle in zweier bis dreier Projektteams eingeteilt und die zu erledigenden Aufgaben passend zugeteilt. Außerdem wurden Anfangs- und Pausenzeiten definiert, damit jeder einen klaren Rahmen hatte. Für die Pausenverpflegung und damit für das Hochhalten der Motivation waren meine Frau und ihre Freundin zuständig. Für diese detaillierte Planung wurde ich im Vorfeld mehr als nur belächelt, doch am Ende konnte ich alle, selbst die sich den ganzen Tag eingeplant hatten, nach dem Mittagessen ins Wochenende entlassen, weil bereits alles (sogar schneller als geplant) erledigt war. Die Planungsliste befindet sich als Inspiration ebenfalls in der zum Download zur Verfügung gestellten Exceldatei.

Bevor ich das Haus verließ, klebte ich an die freien Flächen Zettel, die Abstellbereiche für die Schränke und die Kisten markierten. Dieses einfache visuelle Management sollte es den Umzugsleuten einfach ermöglichen die Dinge aus der alten Wohnung richtig zu platzieren, ohne mich bei jeder Kiste Fragen zu müssen.


Sonntag und Montag ging es dann in der alten Wohnung darum die Kisten zu packen. Viele haben nicht daran geglaubt, dass wir das in zwei Tagen schaffen würden. Da wir aber regelmäßig bei uns auf- & ausräumen, konnten wir dies so gut abschätzen und waren auch hier effizient. Auf die Kisten und die leeren Schränke kamen ebenfalls Klebezettel: „II.r.2“ stand beispielsweise für die zweite Etage, das rechte Zimmer und hier für den zweiten Abstellbereich. Das war dann sogar denjenigen Möbelpackern klar zu machen, die weder deutsch, noch englisch, noch spanisch konnten und führte dazu, dass alle Kisten am Ende genau dort landeten, wo sie ausgepackt werden sollten.


Am Dienstag kam die Umzugsfirma. Ich konnte mir nicht einmal vorstellen, wie vier Personen das alles an einem Tag mit Ab- & Aufbau schaffen. Die Investition in die Profis hat sich auf jeden Fall ausgezahlt. Um 8 Uhr waren sie da, um 16 Uhr waren sie wieder weg und alles war erledigt. Ich bin sehr froh, dass ich diesen Teil outgesourced habe.


Am Abend, als die Kinder schliefen, haben wir dann noch die Spielzeugkisten ausgepackt. Mittwoch, Donnerstag und Freitag dann den Rest. Am Samstag kam dann nur noch jemand, der uns im neuen Wäsche- & Putzraum den Wasseranschluss gemacht hat. Die mit Abstand undankbarste Aufgabe – das Anbringen aller Lampen - hat während der gesamten Woche dankenswerterweise mein Vater übernommen. Am Sonntag konnten wir dann unser neues Haus genießen.

… Mit Ausnahme der Essstühle und des Esstisches. Danke für die Verzögerung „m. Möbelhaus“…



Fazit

Planung mag lästig sein. Sie führt aber gepaart mit gesundem Menschenverstand und Achtsamkeit während der einzelnen Schritte zu einer effizienten und termintreuen Umsetzung. Wenn Sie mehr über QFD erfahren wollen – sei es für Ihre Firma in der Entwicklung oder privat für Ihren Umzug, sprechen Sie mich gerne an.



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