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AutorenbildDaniel Fügner

Wird die Nidder wärmer? – Flussbeobachtung mittels Datenanalyse

„Die Nidder ist ein linker Nebenfluss der Nidda im Bundesland Hessen, Deutschland. Von der Quelle bis kurz vor der Mündung verläuft sie etwa 10 km südöstlich parallel zur Nidda.“ (Quelle: Wikipedia am 21.01.24) Als zugezogener Nidderauer möchte ich den Fluss kennenzulernen, der nur 100m vor meiner Haustür entlang fließt. Die klassische Erwartung wäre nun sicherlich, dass ich den Fluss ablaufe, doch als Datenanalyst möchte ich die Nidder über ihre Daten kennenlernen und dabei gleich Ideen zur Datenanalyse (Statistik) mitgeben. Dieses Mal soll es um die Temperatur des Flusses gehen. Feedback und Diskussionen sind willkommen.


Alle Grafiken und Datenanalysen wurden mit Minitab 21.4 erstellt.



Zu den Daten


Die hier betrachteten Daten sind frei zugänglich und stammen vom Hessischen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie. Die Temperaturdaten beginnen ab April 2012, wobei die Daten vom Juni 2021 bis August 2022 fehlen. Fälschlicherweise wurden sie auf „0“ gesetzt. Das ist nicht korrekt, denn solch ein Vorgehen birgt die Gefahr, dass sie für die Auswertung mit herangezogen werden und so die Ergebnisse verfälschen. Besser ist es einen fehlenden Wert als solchen zu beschreiben. Ich vermute, dass das Temperaturmessgerät zu der Zeit defekt war.



Der erste Blick auf die Daten


Temperatur im Jahresverlauf

Werden wie rechts alle Jahresverläufe übereinandergelegt (pro Jahr in einer eigenen Farbe), ist als ersten zu erkennen, dass die Nidder in den Wintermonaten stets kalt und in den Sommermonaten stets warm ist ;-) Etwas interessanter ist dann schon die Information, dass sie im Winter (meist) über 0°C bleibt und im Sommer schon einmal bis knapp 25°C warm geworden ist. Auch ist gut sichtbar, dass es generell eine große Schwankung zwischen den Jahren gibt. In der heutigen Zeit stellt sich relativ schnell die Frage, ob der Unterschied zwischen den Jahren nur zufällig ist oder ob es einen Trend gibt? Dies lässt sich aus dieser Grafik nicht erahnen. Hierfür bedarf es anderer Sichtweisen, wie eine direkte Darstellung über die Jahre:

Temperatur über die Jahre

Auf der linken Grafik sind in grau die mittleren Tageswerte. Ein gefüllter Kreis stellt die Jahresmittelwerte und ein Kreis mit einem Kreuz stellt die Jahresmediane dar. Ich mag hier nur oberflächlich auf die Unterschiede eingehen, da sie hier nicht entscheidend sind. Aber Mittelwerte sind bekannter und besser zu verwenden, Mediane sind gegenüber Ausreißer und asymmetrischer Verteilungen stabil. Ich habe hier einige Sachen bewusst drin gelassen, um sie zu diskutieren und aufzuzeigen, wie einfach mit Grafiken (und Statistik) manipuliert werden kann:

  1. 2012 scheint im Mittel recht warm gewesen zu sein. Hier fehlen aber die ersten drei (kalten!) Monate in den Daten. Folglich wird das Jahr von den wärmeren Monaten dominiert.

  2. 2021 scheint im Mittel recht kühl gewesen zu sein. Hier fehlen aber überwiegend die warmen Monate in den Daten. Auch fehlen im Jahr 2022 etliche Daten. Dennoch passt es dort (per Zufall!) relativ gut.

Ändert sich nun die mittlere Temperatur über die Jahre? Das ist hier noch immer nicht erkennbar. Wenn es eine Änderung gibt, ist sie im Vergleich zur Jahresschwankung von bis zu 25°C sehr gering. Um auf einen möglichen Trend zu prüfen, ist es daher sinnvoll die Daten zu zerlegen: In die Jahresschwankung (= saisonale Komponente), einen möglichen übergeordneten Trend und die Reststreuung (= Zufallsschwankung).



Gibt es nun einen Trend?


Zeitreihendiagramm für die Temperatur der Nidder

Die blauen Werte beschreiben den tatsächlichen Verlauf. Die roten Werte beziehen die mittlere Jahresschwankung mit ein, die tendenziell mit der grünen Linie ansteigt. Dies ist der übergeordnete Temperaturtrend, der einen mittleren Anstieg von 0,000268°C pro Tag oder rund 0,1°C pro Jahr hat. Hier sind die Jahre 2012, 2021 und 2022 mit verwendet worden, obwohl sie im oberen Diagramm Probleme gemacht haben. Das ist dadurch möglich, dass hier der Jahreszeiteneffekt rausgerechnet wird und damit fehlende Jahresteile nicht negativ ins Gewicht fallen können.

Darstellung der ursprünglichen Daten und nach Saisonkomponente und Trend bereinigte Daten

Die linke Grafik zeigt die einzelnen Komponenten für sich: Oben links sind die ursprünglichen Daten, oben rechts sind die Daten ohne übergeordneten Temperaturtrend, unten links sind die Daten ohne saisonalen Verlauf und unten rechts sind die Daten ohne saisonalen Verlauf und ohne übergeordneten Trend (die sogenannte Reststreuung).

Trendanalyse für saisonbereinigte Daten

Daraus lässt sich der sogenannte „p-Wert“ ableiten, den man am realistischsten aus den saisonbereinigten Daten ermittelt. Dieser ist auf 16 Nachkommastellen nicht mehr berechenbar, also praktisch 0. Was bedeutet das? Wenn ich nun behaupte, dass es einen Temperaturtrend gibt, liegt die Wahrscheinlichkeit, dass diese Behauptung falsch ist (und dieser Effekt doch nur durch den Zufall verursacht wurde) bei praktisch 0%.

Residuendiagramm (Diagramm der Reststreuung)

Für die Fachexperten erlaube ich mir links noch die Residuendiagramme mit darzustellen. Ich gehe hier aber nicht weiter drauf ein.

 







Mein Fazit

 

Die Nidder wird wärmer. Der Anstieg von durchschnittlich 0,1°C pro Jahr mag gering erscheinen, aber er ist gegeben und sicherlich für die dort lebenden Tiere und Pflanzen früher oder später von Bedeutung. Statistisch sollte nun aber dennoch nicht der Fehler begangen werden direkt auf die Bedingungen im Jahr 2100 hochzurechnen. Die Daten kommen aus dem letzten Jahrzehnt und genau hierfür ist die Analyse glaubwürdig. Je weiter wir uns von dem Zeitraum der Daten entfernen, desto größer wird die Unsicherheit. Dies ist auch durch die grünen Linien in der vorletzten Grafik zu erahnen: Sie stellen den „Unsicherheitsbereich“ (statistisch: Konfidenzintervall / Vertrauensbereich) des Trends dar und gehen zum Rande hin weiter auf. Auch ist davon auszugehen, dass sich über große Zeiträume die Rahmenbedingungen ändern, was zu neuen Einflüsse und Effekten führen wird. Um dies zu beschreiben, benötigt man ein Modell, wie sich die Umgebungstemperatur auf die Flusstemperatur auswirkt und könnte dann versuchen gängige Klimaerwärmungsszenarien zu berücksichtigen. Das ist aber die Aufgabe für eine andere Analyse.

 

Soviel zu der Temperaturentwicklung der Nidder. Beim nächsten Mal geht es dann um Pegelstände und die Frage, ob und wie sich das Risko von Hochwasser in den letzten 40 Jahren verändert hat.

 

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